Historisches

Erklärung des Namens „Wildbannhütte“

Der Lampertheimer Wald gehörte ehemals zu dem großen zusammenhängenden Waldgebiet, das unter der Bezeichnung „Forehahi“ bekannt ist und sich vom Neckar bis Darmstadt erstreckte. Der Name „Forehahi“ erklärt sich aus „Förenhag“, also einer Kiefernwaldung. Zu diesem „Forehahi“ gehörten u. a. vier große gegeneinander abgesteinte Gebiete:

  1. Der eigentliche Lorscher Wald, der ursprünglich Bürstadt und Lorsch gemeinsam gehörte. Die Eigentumsrechte gingen zunächst an das Fürstentum Lorsch, später an den Kurfürsten zu Mainz und schließlich an die Kurpfalz.
  2. Der Lampertheim Wald gehörte der Gemeinde Lampertheim unter Bischöflich-Wormser Oberhoheit und Jagdgerechtigkeit, er war also Eigentum der Gemeinde Lampertheim.
  3. Die Wildpant, wie es früher hieß, dann Wildbann, bzw. heute unter Wildbahn bekannt, gehörte Kurpfalz als Pfandinhaber der Wormser Pfandschaft und damaliger Besitzer von Neuschloß. In diesem Waldgebiet war jegliche Holznutzung einschließlich der Entnahme von Windfall verboten.
  4. Die Viernheimer Heide gehörte den Viernheimern, allerdings unter Mainzer Hoheit, aber Pfälzer Pfandherrschaft

Entnommen aus dem Buch „Lampertheim - Ein Blick in die Stadtgeschichte“, Bd. 1, 1982, S. 99 ff. verfasst von Forstdirektor Dr. Fritz Regel

Die Wildbahn bildet heute eine selbständige Waldgemarkung im Eigentum des Staates Hessen und untersteht der Verwaltung des Forstamtes Lampertheim. Sie wird durch die Straße Lampertheim - Hüttenfeld in die obere und untere Wildbahn geschieden und umfasst 649,4 Hektar. Bis zum Beginn der sog. „Bergsträßer Pfandschaft“ 1463 war die Wildbahn ein uraltes Kammergut der Kurfürsten von Mainz. Dann ging sie mit dem Kloster Lorsch und den übrigen Pfandschaftsgebieten bis 1650 an den Pfalzgrafen über. Tatsächlich zog 1623 der Mainzer Kurfürst die Pfandschaft wieder an sich. In dieser Zeit führte der Pfalzgraf in dem von ihm erbauten Jagdschloß Neuschloß ein glänzendes Jägerleben.1803 wurde die Wildbahn hessischer Staatswald. Schon zu Lorsch-Mainzer Zeiten war sie sog. „Bannholz“, eine Wildhege gewesen. Um Störungen des reichen Wildbestandes zu verhüten, war das Betreiben mit Weidevieh streng verboten. Aus diesem des Wildes wegen in Bann getanen Wald, dem „Wildbann“ ist die heutige Bezeichnung Wildbahn geworden. Der Volksmund nannte im Mittelalter den Wald „Wilpell“.

Entnommen aus dem „Lampertheimer Heimatbuch“, Verfasser Carl Lepper, erschienen 1957, Seite 407

Der Wildbann war von altersher ein beliebtes Jagdrevier der jeweiligen adeligen Herrschern. In dem „Weistum des Lorscher Wildbanns“ von 1423 wurden drakonische Strafen gegen denjenigen verhängt, der im Wildbann Jagd- und Forstfrevel beging. Alljährlich wurde am Gertrudentag, dem 17. März, im Lorscher Klosterhof ein Hubgericht abgehalten, bei dem die Frevler hart bestraft wurden.

Der Wildreichtum der Gegend war berühmt. Insbesondere Wildschweine, Rehe und Hirsche gab es in Mengen.

Der letzte hessische Großherzog Ernst-Ludwig von Hessen und bei Rhein (*25.11.1868 in Darmstadt, + 9.10.1937 in Schloss Wolfsgarten bei Langen) war über seine Schwester Alice mit dem russischen Zarenhaus verwandt. Alice heiratete 1894 den russischen Zaren Nikolaus II. Bereits zuvor gab es verwandschaftliche Beziehungen zwischen dem Hause Hessen-Darmstadt und den Romanows.

Ernst-Ludwig von Hessen nutzte den Lampertheimer Wildbann ebenfalls als Jagdrevier. Seinen russischen Verwandten wollte er standesgemäße Jagdvergnügen bieten können. Hierzu soll etwa 1896 bis 1898 von russischen Zimmerleuten die heutige „Wildbannhütte“ als Jagdhütte in Blockbauweise errichtet worden sein. Im gleichen Zeitraum wurde in Darmstadt auch die Russische Kapelle (1897 bis 1899) errichtet. In der Jagdhütte kehrten die adeligen Jagdgäste ein und fanden eine Übernachtungsmöglichkeit, denn per Pferd oder Kutsche war es bis Darmstadt doch ein Stück Weges. Es soll sogar eine Telegraphenleitung von der Jagdhütte bis zum Schloß in Darmstadt gegeben haben.

Großherzog Ernst Ludwig von Hessen (fotografiert von Jacob Hilsdorf 1905)Blockhaus_1955

(li.) Großherzog Ernst Ludwig von Hessen (fotografiert von Jacob Hilsdorf 1905)
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(re.) Wildbannhütte in den 1950er Jahren (fotografiert von Leyendecker)

Es lag also nahe die Jagdhütte, die man durchaus als Haus bezeichnen kann, im ehemaligen Wildbann zu Lampertheim in „Wildbannhütte“ zu benennen.

Die heutigen Gemarkungsnamen „Saustall“ und „Ebertränke“ in der Nähe der Wildbannhütte weisen noch immer auf den Wildreichtum, insbesondere der Wildschweine hin.

Jürgen - Jolle - Jakob